Als ich klein war, ermutigte – man könnte fast schon sagen zwang – mich meine Mutter bei jedem Geburtstag eines Freundes einen persönlichen Brief an diesen zu schreiben. Sie sagte immer: „Du darfst schreiben, was du möchtest, solange du davor ein paar Minuten lang darüber nachdenkst, warum es schön ist diesen Freund zu haben.” – ich sollte also etwas Eigenes und Originelles schreiben. Wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich noch genau, wie anstrengend ich diese Aufgabe als Neunjähriger fand.
Heute, über ein Jahrzehnt später, muss ich gestehen, dass ich durchaus glücklich bin, dass ich schon früh angefangen habe Briefe an meine Freunde zu schreiben. Denn, obgleich es mir heute leichter fällt, die richtigen Worte, Witze und Würdigungen zu finden, der Effekt, den handgeschriebene Sätze in einem persönlichen Brief für den Empfänger haben, ist der gleiche wie vor zehn Jahren.
Wir alle kämpfen seit zwei Jahren mit einer weltweiten Pandemie, in welcher persönliche Verbindung für viele schwieriger ist als wir es seit langem gewöhnt sind. Viele Familien können nicht zusammen sein und obwohl uns moderne Technologien, wie WhatsApp, FaceTime und Zoom zur Verfügung stehen, ist es interessanterweise (zumindest bei mir) ein handgeschriebener Brief im Briefkasten, der das Herz am meisten aufspringen lässt.
Warum ist das so? Was macht einen handgeschriebenen Brief so besonders? Wie kann ich selber einen persönlichen Brief schreiben? Dies und mehr haben wir im Folgenden für dich vorbereitet.
Warum sollte ich einen persönlichen Brief schreiben?
Die instinktive Antwort auf diese Frage ist natürlich „Es freut den Empfänger!“ – allerdings bietet das Format auch dir als Schreiber des Briefes interessante Vorteile. Zum einen ist es wissenschaftlich bewiesen, dass man näher an das Geschriebene verbunden ist, wenn es handschriftlich geschrieben wird. In anderen Worten ermöglichen handgeschriebene Briefe tiefere Reflexion und vermitteln dadurch treffender das innere Gefühlsbild als getippte Briefe. Dies hat unter anderem mit der Konzentration zu tun, die man aufwendet. Bei handschriftlichen Briefen muss man sich genau überlegen, was man schreiben will, da es im Nachhinein wesentlich schwieriger zu korrigieren ist als Getipptes. Im Unterbewusstsein achtet man dadurch nicht nur stärker auf Rechtschreibung, sondern auch auf Phrasierung und Inhalt.
Zum anderen schenkt man mit einem handgeschriebenen Brief nicht nur Worte, sondern auch Zeit und Mühe, die man in den Brief gesteckt hat. Dabei findet man sich als Schreiber häufig in einem Prozess des Entdeckens über die Bedeutung und Wichtigkeit, die der Empfänger des Briefes für einen selbst hat…
…da wären wir auch schon beim nächsten Punkt
Was macht einen handgeschriebenen Brief so besonders?
Die offensichtliche Antwort hier ist: Der Schreiber! Du als Schreiber und Verfasser des persönlichen Briefes kannst ihn genau so gestalten, wie du möchtest. Als perfekte Brücke zwischen dir und Empfänger, um die Nachricht, die dir am Herzen liegt, bestmöglich zu vermitteln. Dazu schenkst du durch deine individuelle Handschrift einen einzigartigen Teil von dir mit, der unnachahmlich von dir kommt.
Trennt man sich aber von dem, hat das Format des persönlichen Briefes auch viel zu bieten. Wie zuvor erwähnt ist ein handgeschriebener Brief eine Art Paket, in dem man nicht nur Worte schenkt, sondern auch Zeit und Mühe. Die Zeit, die man gebraucht hat passende Worte und eine Karte zu finden. Die Mühe, die man sich gemacht hat, aus dem Herzen zu sprechen und einen bedeutsamen Brief zusammenzustellen. Dieses Paket bleibt eine Ewigkeit erhalten und ist immer zur Hand, wenn der Empfänger es braucht und sucht. Es ist greifbar, kann aufgehängt werden und wird zu einer Art Andenken.
Neben dem eigentlichen Brief, ist auch der ganze Prozess des Empfangens ein besonderer. Vor allem heute sticht ein handgeschriebener Brief inmitten von getippten Briefen von Bank und Versicherung besonders hervor. Ein solcher Brief ist möglicherweise einer der wenigen Dinge im Briefkasten, die stets eine Freude hervorbringen, insbesondere, wenn man ihn nicht erwartet. Im Gegensatz zu computergenerierter Post, wird der größte Teil von handgeschriebener Post aufbewahrt und hin und wieder hervorgeholt.
Zu welchem Anlass kann ich einen handgeschriebenen Brief schreiben?
Persönliche Briefe schreiben kannst du selbstverständlich zu jedem Anlass. Dazu gehören traditionelle Anlässe, wie Hochzeiten, Konfirmationen, Geburtstage und Weihnachten. Genauso kannst du aber auch einen Dank oder einfachen Gruß in einen solchen Brief schreiben. Die schönsten handgeschriebenen Briefe sind oft diejenigen, die als Überraschung, ohne spezifischen Grund geschrieben und empfangen werden. Wenn man will, als Dialog aus der Ferne, als geteilter Gedankengang auf Papier und Ausdruck der Freundschaft.
Wie kann ich einen persönlichen Brief schreiben?
Im Grunde kann man einen persönlichen Brief schreiben, wie man möchte. Für viele ist der Prozess des Schreibens und Zusammenstellens auch sehr individuell und entwickelt sich mit der Zeit. Gemeinsam haben alle persönlichen Briefe aber, dass sie ehrlich und aus dem Herzen sind.
Für diejenigen, die aber noch etwas verloren sind und irgendwie nicht wissen, wie sie anfangen sollen, haben wir hier einen groben Prozess niedergelegt, der als leitendes Grundgerüst dienen kann. Nach etwas Zeit und Erfahrung mit handschriftlichen Briefen kann der Prozess selbstverständlich auf deine Vorlieben und Bedürfnisse angepasst werden.
Vorbereitung
In der Vorbereitung geht es darum einen „Spielplan“ für sich zu erstellen und eine grobe Idee zu schaffen, was man schreiben möchte und was das Format ist.
1. Aussuchen von Materialien
Um einen hangeschrieben Brief zu schreiben braucht man natürlich erstmal Schreibutensilien. Ein schöner Füller oder Tintenroller und vielleicht eine besondere Tinte, schönes Briefpapier oder eine passende Grußkarte müssen her. Gegebenenfalls sollte man an dieser Stelle auch seinen Stift und die Tinte auf dem zu nutzenden Papier ausprobieren, bevor es zu spät ist. Ein paar kleine Punkte an der Seite geben meist schon genug Einsicht in das Verhältnis zwischen Schreibgerät, Tinte und Papier, sodass ein Verschmieren und ein verzerrtes Schriftbild verhindert werden können.
2. Konzept und Vorschreiben
In diesem Schritt geht es um das Finden und Sortieren der eigenen Gedanken. Was möchtest du sagen? Warum ist dir das wichtig? Wie fühlst du dich dabei?
Auch sollte man hier die grobe Struktur des Briefes konstruieren.
Einleitung
Einleiten kannst du deinen Brief beispielsweise mit:
- einem Dank
- Rückblicken
- gemeinsamen Erinnerungen und Erlebnissen
- einem Witz oder Insidern
Hauptteil
Im Hauptteil und allgemein in Briefen ist es empfehlenswert von sich zu erzählen, da der Leser nicht, oder nur verspätet auf etwaige Fragen antworten kann.
- Wo schreibst du?
- Warum hast du dieses Briefpapier oder diese Grußkarte ausgewählt?
- Was war die Anregung oder der Anlass einen Brief zu schreiben?
- Was ist die Nachricht, die du dem Adressaten mitteilen möchtest? Warum möchtest du das sagen? Wie geht es dir dabei?
Ist das Briefschreiben für dich “neu” oder ein wenig fremd, kannst du die besondere Situation oder das ungewohnte, vielleicht schwerfällige Gefühl beim Schreiben des Briefes ansprechen. Es hilft oft mit dem Schreiben weiter und durchbricht das anfänglich unangenehme oder unbeholfene Gefühl beim Konzipieren – man kann alles schreiben, vor allem wenn es ehrlich ist. Aus Erfahrung kann ich bestätigen, dass solche Anfänge den Leser meist zum Schmunzeln und Lachen bringen.
„Ich muss ja gestehen, dass ich seit der Grundschule keinen Brief mehr von Hand geschrieben habe… aber ich dachte mir, für diesen Anlass ist es genau das richtige…“
„Kannst du es fassen?! ICH schreibe einen Brief! Mit meiner eigenen Hand! Und das für dich! Mal sehen, ob ich es hinbekomme…“
Solche ehrlichen Kommentare können überall im Text eingebracht werden. Wir tendieren heutzutage dazu handgeschriebene Briefe sehr formell anzugehen – das ist wohl der Schulzeit zuzuschreiben. Allerdings schreiben wir in dieser Situation keine Hausarbeit, sondern einen persönlichen Brief an eine besondere Person. Und manchmal kann man das Ganze dann einfach wie ein mündliches Gespräch behandeln. Ob man letztendlich einen Ton mit einer Anrede wie „Liebe(r) xxx“ auswählt, oder „Heyo!“ es vielleicht doch besser trifft, muss man eben für sich und seinen Brief entscheiden. Nichts ist verboten, außer Langweiliges!
Schluss
In den Schluss kannst du beispielsweise Hoffnungen oder Wünsche festhalten:
- Gibt es etwas, das du beim nächsten Wiedersehen auf jeden Fall unternehmen willst?
- Was wünschst du dir für die Zukunft?
- Wann denkst du werdet ihr euch das nächste mal treffen?
Genauso kannst du auf deine Einleitung zurückgreifen. Wie war es denn letztendlich für dich einen Brief von Hand zu schreiben? Vielleicht ermutigst du den Empfänger dir einen Brief zurückzuschreiben? Einen “auf retro”!
Eine passende Kombination dieser Ideen könnte dir dazu verhelfen, die richtigen Worte für deinen Brief zu finden. Hast du dein Konzept ausgearbeitet, ist es sinnvoll eine kurze Pause zu machen. Vielleicht mehrere Stunden oder sogar einen ganzen Tag, um dann dein Konzept mit neuen, frischen Augen zu lesen. Dabei fallen dir möglicherweise unhandliche Formulierungen auf oder eine bessere Art eine Idee auszudrücken.
3. Durchführung und Schreiben
Mit einem guten Konzept und weitestgehend ausgearbeiteten Ideen für den Brief kannst du nun mit dem eigentlichen Schreiben loslegen. Dafür ist es wirklich empfehlenswert, dich in ein ruhiges, angenehmes Umfeld zu begeben und dir ausreichend Zeit zu lassen. Zeitdruck und Ablenkungen aus dem Umfeld führen zu Schreibfehlern und anderen Unfällen, die oft nicht rückgängig gemacht werden können. Also nochmal Zeit und Ruhe sind essentiell!
Hast du dann mal mit dem Schreiben losgelegt, kannst und solltest du dich an deinem Konzept bzw. dem Vorgeschriebenen orientieren. Das Stichwort lautet aber orientieren. Du bist natürlich nicht daran gebunden und kannst noch Veränderungen vornehmen – selbst neue Ideen können noch eingebunden werden. Aus vergangenen Situationen kann ich sagen, dass in der Konzentration des eigentlichen Schreibens immer wieder Gedanken und Ideen aufkommen, die beim Vorschreiben noch nicht da waren – oft sind das sogar die besten! ☺
Nachdem du dann alles geschrieben und auch jede Idee umgesetzt und in deinen Brief eingebaut hast, heißt es im letzten Schritt der Durchführung nochmal durchlesen. Wurden alle „i-Punkte“ getüpfelt und alle „t-Striche“ gezogen? Hast du vielleicht ein Wort irgendwo vergessen oder hat sich ein Schreibfehler reingemogelt? Noch kannst du es korrigieren! Zwar ist es schon geschrieben, aber mit etwas Kreativität lässt sich trotzdem noch einiges machen. Zum Beispiel mit einer Fußnote oder einem Sticker, den du auf ein falsches oder überflüssiges Wort klebst.
4. Extras: Siegel, Fotos und mehr
Bevor du deinen Brief dann endgültig verschließt, kannst du dir überlegen noch ein passendes Foto oder andere Kleinigkeiten beizufügen, die das Erlebnis des Empfangens für den Adressaten noch besonderer machen.
Ich siegle meine handgeschriebenen Briefe gerne mit einem Wachsstempel. Diese kann man mit diversen Motiven und Buchstaben für kleines Geld online erwerben oder sogar eigene Designs gravieren lassen. Das Staunen und die Freunde, die solche Wachssiegel hervorrufen sind unbezahlbar. Ein schöner Aufkleber kann den Verschluss des Briefes ebenfalls wunderbar verzieren.
Hast du vor deinen verschlossenen Brief dann per Post zu verschicken, kannst du dir online oder bei der Post noch schöne Briefmarken aussuchen und dann heißt es endlich: Ab die Post! Genauso kannst du deinen Brief dem Empfänger auch händisch überreichen, wenn du die Chance dazu hast. Der Vorteil dabei ist, dass du die Reaktion auf deinen mühevoll zusammengestellten Brief live miterlebst und siehst, wie viel ein persönlicher, handgeschriebener Brief bedeuten kann.
Hoffentlich helfen dir diese Tipps und die Vorgehensstruktur, sodass auch du einen persönlichen Brief schreiben kannst.
Zuletzt noch das:
Irgendwie haben wir in den letzen Jahren eine immer stärker werdende Hemmung entwickelt, die uns davon abhält einen Stift und Papier in die Hand zu nehmen und einfach aus der Seele zu schreiben. Obwohl digitale Medien uns immer mehr vernetzen, scheinen wir bei Zeiten distanzierter denn je. Ich lege es daher jedem nah, diese Hemmschwelle zu überschreiten und den ein oder anderen handgeschriebenen Brief zu schreiben. Zu jedwedem oder auch keinem Anlass. Für langjährige Freunde oder auch den netten Nachbarn. Persönliche Briefe müssen weder ewig lang sein, noch weltverändernde Botschaften oder Goethe-gleichende Lyrik enthalten. Sie müssen nur ehrlich und von Herzen kommen. ♡
#startwriting
Lüder
April 17, 2022Dieser Artikel spricht mir aus der Seele! Meine Frau und Freunde halten das Briefeschreiben antiquiert oder old school. Das ist es auch irgendwie und darf so sein. Das Lächeln das ein Brief im Briefkasten eines lieben Menschen zaubert ist die Mühe wert. Ich hab glücklicherweise noch ein geerbtes Spiegel meines Großvaters mit den gleichen Initialen. Das rundet die Zeilen in Verbindung mit dem Geruch brennenden roten Pelikan Siegellackes ab.
Das bestes ist indes die Unvergänglichkeit geschriebener Zeilen und Briefe, die einen beim durchlesen in die Stimmung versetzen können, die man seinerzeit in der Situation hatte. Ähnlich wie in der analogen Photographien mit ihren negativen und Dias oder Abzügen, die nicht digital und der Vergänglichkeit durch Innovation anheim fallen können. Wer hat schon frühere sms oder chatverläufe archiviert.
Also ein klarer Ja zum Hand geschriebenen Wort.